Gewalt in der Kommunikation

Was soll man tun? Was darf man sagen?

Es ist einfach (zu) kompliziert!?

Nur nicht zu kompliziert werden. Dann steigen die Leute aus. Man muss einfache Lösungen anbieten, damit alle Klatschen können. Gerade bei komplexen Themen – also allem, was irgendwie das Leben betrifft – sollte man die Angst vor der Komplexität wie im Bierzelt einfach wegklatschen können. Oans, Zwoa, Gsuffa!

Am besten so sprechen, dass jeder sofort weiß, was zu tun ist! Noch besser gender-korrekt, damit auch wirklich alle Frauen begreifen, dass auch sie gemeint sind. Das ist Gleichberechtigung. Wir sitzen alle im gleichen Popsch. Wenn wir so sprechen, könnte das Leben dann nicht ein einziges Fest sein, in dem wir mitlallen bis wir irgendwann vom Sessel kippen und der Angst vor dem Enden unseres Bewusstseins, der Angst vor dem Tod, endgültig ein Schnippchen geschlagen haben. Wenn sich niemand mehr vorstellen kann, dass auf die Frage, „wie geht es dir?“ irgend eine andere Antwort als „Danke, gut“ kommen könnte; wäre das nicht ein Ideal von gewaltfreiem Miteinander?

Wir alle können das schaffen! Wem das Bier nicht schmeckt, bleibt ja noch die Selbstverwirklichung und die Meditation als komplexere Formen von Nicht-Denken und Anpassung!

Verdammt, schon wieder wird der Text zu kompliziert. Was will der eigentlich? Da steigt jeder aus! Die FeministInnen zuerst. Für manche FeministInnen ist die Grenze des Denkbaren das männliche Pronomen. Und das habe ich schon wieder ausschließlich verwendet, um es mir einfach zu machen, gerade weil das Leben so kompliziert ist und eine innere Stimme in meinem Kopf fragt sich: „Ist nicht genau das die Wurzel des Problems?“

Ich wollte darüber hinweg täuschen, dass ich nicht sagen kann was Gewalt eigentlich ist. Die Freude, wenn ein Arschloch eins auf die Fresse kriegt? Das Böse besiegt ist? Wenn ich beim Boxen einen genialen Schlag lande, der Gegner wankt und alle aufjubeln?

Die Panik, wenn man überfallen wird. Wenn man Angst hat geschlagen zu werden, Augen oder Zähne zu verlieren, dann ist niemandem zum Lachen. Die Tränen, die mir in die Augen steigen, wenn mir klar wird, dass ich einen großen Teil meiner Kindheit und Jugend in der Schule eingesperrt war. Zuhören und Mitmachen aus Angst vor Strafe, Still-Sitzen statt Kennenlernen. Die Zeit kommt nie mehr zurück. Wem kann ich dafür eine reinschlagen?

Damals hat die ganze Scheiße angefangen. Ich schlürfte zufrieden meine Schulmilch, dachte nicht an die Euter der Kuh, die dafür vergewaltigt werden, schon gar nicht, wo diese Kühe nachher hinkommen. Heute kann ich meinen Facebook-Account nicht aufmachen, ohne dass mir meine „Freunde“ ein gefoltertes Tier vor die Nase halten. Dabei esse ich gar keine Kühe; und wieder frage ich mich ob ich nur darum vegan bin, um mir einmal im Leben sicher sein zu können, dass ich das Richtige mache. Wenn ich schon sonst die Ungerechtigkeit der Welt nicht verändern kann, den Mächtigen beim globalen ökologischen Selbstmord nicht im Weg stehen kann, dann mache ich zumindest bei diesem Massenmord nicht mit.

Und wieder regt sich eine Stimme in mir, die fragt, ob nicht gerade das die Dosis an Selbstberuhigung ist, die ich brauche, um in dieser Gesellschaft des Verbrechens zu funktionieren? Ob ich mir nicht genau mit dieser Vereinfachung die letzte Chance verspielt habe, mich der Komplexität des Lebens zu stellen, weil es so, wie wir leben einfach nicht mehr weiter gehen kann, es einer fundamentalen Veränderung bedarf? Gehe ich aus moralischer Feigheit, aus Angst vor wirklichem Widerstand im Bio-Supermarkt einkaufen?

Aber irgendwann muss man doch auf den Punkt kommen. Sagen, hier ist Schluss. Hier ist was ich tun kann, hier ist was ich sagen kann, hier ist meine Grenze. Ist das schon Gewalt? Und wenn ja gegen wen? Gegen andere? Gegen sich selbst? Oder ist das nicht überhaupt das Leben? Wenn ich was falsch mache, sollte die Sprache, die ich benutze, den Irrtum, den ich begehe, auch ausdrücken, wie könnte ich mich sonst verändern? Dann lieber doch die Größe haben falsch liegen zu können.

Aber sich das Mitspielen schön reden? Scheiß drauf! Da ist es mir lieber zu lernen, dass ich nichts weiß, als das anderen den Scheiß, den ich mir selbst vormache, als Weisheit schlucken müssen. Wir leben mit begrenzten Ressourcen. Unser eigenes Leben ist eine begrenzte Ressource. Jede Begegnung ist ein Geschenk, aber wer kann das Geschenk annehmen? Wer ist wirklich anders, wenn es um die Wurst geht? Das würde mich interessieren! Einfach mitspielen, einfach dagegen sein, eine Show abziehen oder seinen Mist ablassen, das kann jeder. Aber sich auf die Komplexität des Lebens, auf sich selbst und die anderen, einlassen, das ist einfach (zu) kompliziert!?

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