Seit Jahren begleite ich nun schon Menschen mit sowie ohne Behinderung in ihrem durch Psychotherapie gestützten Heilungsprozess. Wenn ich Außenstehenden davon erzähle, werde ich fast öfter nach dem Nutzen meditativer Körperarbeit für Psychotherapie gefragt, als ich danach gefragt werde, was meditative Körperarbeit überhaupt ist. Dass wir zuerst fragen, wie etwas nützen soll, bevor wir uns dafür interessieren, was dieses etwas, das nützen soll überhaupt ist, ist, glaube ich, Ausdruck der Problematik, von der uns meditative Körperarbeit heilen könnte, gerade wenn sie im Zusammenspiel mit psychotherapeutischen Gesprächen erfolgt.

Wir leben in einer Zeit, die sich dadurch auszeichnet, dass wir keine Zeit haben.

Genau genommen müssten wir sagen, wir haben kein Leben, denn solange man lebt hat man ja Zeit. Dass man (noch) Zeit hat ist ja die primäre Qualität, die das am Leben sein ausmacht.

Gerade weil wir wissen, dass wir nicht ewig Leben und ständig im Nachdenken und Optimieren unserer Zeitnutzung verhaftet sind versäumen wir unser Leben. Wie in Michael Endes Buch „Momo“, zahlen wir beharrlich in unsere Zeitsparkasse ein, scheinbar ohne je eine Minute, dieser hart ersparten Zeit wieder zu sehen. Wir beeilen uns immer mehr, aber wo wir auch in unserer Eile hinkommen, kommen wir nicht an.

Immer fällt uns ein Grund ein weiter zu eilen, so dass wir schließlich nicht Pause machen, weil wir wollen oder können, sondern, weil wir müssen, weil es uns sonst nicht möglich wäre weiter zu eilen.

Tatsächlich ist der heutige Mensch so im Denken verfangen, dass sein Mangel an Zeit und insbesondere das Gefühl des Mangels daher rührt, dass er sein Da-sein, sein Lebendig-sein nicht mehr wahrnehmen kann. Ständig denkt er was noch zu tun ist, und wenn er etwas tut, ist er gemeinhin nicht von seinem Tun erfüllt, weil er, was er tut immer im Bewusstsein tut, dass eigentlich noch viel mehr zu tun wäre. Diese Zwangsjacke des Leistungs- und Nutzungsdenkens schnürt uns so sehr den Atem ab, dass wir daran zu ersticken drohen, gleichgültig wie viel wir arbeiten, gleichgültig ob wir überhaupt arbeiten wollen oder können. Wir schämen uns, werden krank, wenn wir nicht arbeiten können, wir schämen uns, werden krank, weil unsere Arbeit nicht anerkannt wird. Das ist ein Los, dass gerade Menschen mit Behinderung am härtesten trifft, weil sie in der Fantasie vieler Menschen, zu lebenslangem Nicht-können und Nichts-tun verurteilt sind. Sie sind ja schließlich behindert. Gerade, weil sie im Alltag oft so behandelt werden, und diese Behandlung als immer wiederkehrende Suggestion wirkt, müssen Menschen mit Behinderung, wie Sysiphos, daran arbeiten nicht selbst, bewusst oder unbewusst, demselben Irrglauben zu verfallen.

Der primäre Nutzen der meditativen Körperarbeit besteht darin, Menschen mit sowie ohne Behinderung , dabei zu helfen die Wahrnehmung ihrer Gegenwart zurückzugewinnen, die ihnen durch die gesellschaftliche Zwangsjacke des Nutzen- und Leistungsdenkens verloren gegangen ist. Wahrnehmen und erlauben, anstatt denken und glauben, ist die Kurzbeschreibung des Weges der meditativen Körperarbeit und das Gefühl in Ordnung zu sein, so wie Mann oder Frau gerade ist, ist kurz gefasst das Resultat meditativer Körperarbeit. In einer zumindest zeitweiligen Befreiung vom Nutzungsdenken in der Psyche und Körper, aus dem Labyrinth des Denkens, wieder in die unbewertete Reichhaltigkeit des Wahrnehmens zurückfinden, darin liegt der Nutzen von Meditation.