Wir sind fasziniert von Geschichten, weil wir uns selbst als Charakter unserer eigenen Geschichte weiterentwickeln wollen. Und so beginnt jede Geschichte mit einem Versprechen:

Was folgt ist ergreifender, als alles, was Du gerade in deinem Lebens-Alltag über dich und die Welt erfahren kannst!

Werte und Wünsche in Geschichten

Jede Geschichte muss ein intimes Vertrauensverhältnis herstellen, indem die Geschichte zu einem Teil der Innenwelt derjenigen wird, die sie erfahren. Der Beginn einer Geschichte, ihr Titel, ihr Anfang, verführt uns unseren Alltag beiseite zu lassen, um in die uns dargebotene Geschichte einzutauchen. Der Beginn der Geschichte vermittelt uns Werte und Wünsche, die uns für die Dauer der Geschichte, und wenn sie gut ist, weit über die unmittelbare Erfahrung der Geschichte hinaus in ihren Bann ziehen. Die besten Geschichten begleiten uns durch unser Leben und werden Teil unserer eigenen Geschichte. Weil wir diesen Geschichten glauben, wissen wir, ob wir gerade als Held oder Feigling gehandelt haben; weil wir diese Geschichten glauben, leben wir das Leben, das wir Leben.

Du weißt an welche Geschichten du glaubst, wenn Du die gelebten Priortäten Deines Leben betrachtest. Schnell wird dabei klar, dass Du nicht umhin kommst, selbst zum Geschichtenerzähler, zur Geschichtenerzerzählerin zu werden. Die große Liebe, der Erfolg im Beruf, die besten Ideen, Deine Hoffnungen, Träume, Befürchtungen existieren nur im Zusammenhang. Was Du in deinem Leben für wichtig nimmst, wie du die Ereignisse und Ideen mitander im Zusammenhang bringst, das ist die Geschichte Deines Leben, die Du Dir und anderen erzählst. Das ist die Geschichte die du lebst. Selbst, wenn Du sagst: “Das interessiert mich alles nicht! Alles was ich will ist jetzt glücklich sein! Bevor ich über sowas nachdenke geh ich lieber ein Bier trinken. Ich hasse mein Leben. Die anderen sind schuld! Eigentlich sollte alles anders sein!”, dann bist Du genau in diesem Augenblick selbst der Charakter deiner Geschichte mit genau dieser Meinung über sein eigenes Lebens.

Charaktere

Darum faszinieren uns Charaktere, die wissen wer sie sind. Charaktere, die es herausfinden, die zutiefst daran zweifeln, wer sind. Charaktere, die nicht länger in ihrer bisherigen Lebensgeschichte gefangen leben können und wollen; Charaktere, die ihre Vergangenheit hinter sich lassen wollen, um der Geschichte ihrer innersten Wünsche und Träume nachzugehen. Intuitiv verstehen wir alle diese Charaktere als Teil unserer Lebensgeschichte, als Teil unserer Handlungsmöglichkeiten.

Selbst wenn wir uns in Parallelwelten mit ihren Drachen, Raumschiffen, Vampiren und Feen verschwinden lassen, genießen wir es uns in den Traumwelten und Alptraumwelten zu verlieren und wiederzufinden. Wir genießen es uns zu verwandeln und neue Maßstäbe des Erlebens zu entwickeln, die uns sagen lassen: “Was ich gerade erlebe ist schräger als Monty Python!” oder “Ihr seit alle so nett zueinander, ich dachte ich bin in einer Game of Thrones Episode!”

Freiheit und Verantwortung, der Zauber und Fluch unseres Lebens, liegen in unserer poetischen Aufgabe unser Leben zu leben, indem wir die vergangenen und gegenwärtigen Ereignisse unseres Lebens so in Zusammenhang stellen, dass sich daraus der Plot unseres Lebens entwickelt; die Geschichte unseres Lebens. Unsere Geschichte ist Teil einer Welt-geschichte, in der Herrschen und Beherrscht-werden im Vordergrund stehen. In dieser Weltgeschichte soll die Wahl, welche Geschichte hier eigentlich gespielt wird, immer den bereits herrschenden vorbehalten sein. Es hat also einen Grund warum Künstler als Stars in den Himmel gehoben werden, während unser Alltag von einer kunst- und kreativitätsfeindlichen Haltung geprägt sind.

“Denk nicht zu viel nach! Mach Dir keine zu großen Hoffnungen! Da könnte ja jeder kommen! Wer glaubt sie, dass sie ist?”

Auswirkungen von Geschichten auf unser Leben

Darum werden uns auch nur gewisse Geschichten erzählt und vorgeführt. Darum bekommt eine Frau in einem Film kaum eine Hauptrolle, in der sie etwas zu sagen hat. Dafür darf eine Frau im Film umso öfter am Ende heiraten, damit wir wissen, dass das Abenteuer jetzt wirklich ein unwiderruflich ein Ende hat. Familien im Film und Serien sind meist mit sich selbst und ihren Verstrickungen beschäftigt. Im Fernsehen zeigt man gern ein wenig übertrieben, wie dumm man sich anstellen kann und das schmeichelt uns. Darum braucht “Reality TV” keine Propaganda, die willigen Opfer verschlingen freiwillig ihre Anleitung zum Gehorsam durch gemeinschaftliche Selbst-verblödung. Am besten ergänzt durch einen Zombiefilm. Da kann der Zuschauer gleichzeitig erkennen wozu er geworden ist und hat noch die Befriedigung, dass tatsächlich ein noch primitiveres, sinnloseres Leben möglich ist, als er oder sie es gerade vor dem Fernseher lebt.

Aber andere Geschichten schlecht machen ist leicht. Ein gute eigene Geschichte zu leben ist dagegen schwer. Es ist eine Kunst, eine Arbeit, die auch auch zur Ekstase werden kann.

Die eigene Geschichte erforschen

Was ist Deine Geschichte? Was sind Ereignisse Deines Lebens? Was deren Plot, deren Zusammenhang? Wohin soll das führen?

Wo immer es hinführt, sei Dir darüber im Klaren, dass Du nicht sofort auf eine Lösung kommen musst. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut und zu sagen: “Ich habe einmal über die Geschichte meines Lebens nachgedacht, dabei ist aber nichts herausgekommen.”, ist ein wenig so, als ob man sich einmal zum Klavier gesetzt hat und festgestellt hat, dass man nicht Klavier spielen kann.

Wie also beginnen? Was ist zu tun, um die eigene Geschichte zu er-finden. Was müssen wir wissen? Was sind die Fragen wir uns stellen müssen?

Das faszinierende am Leben ist, dass Du jederzeit beginnen kannst, es vollkommen anders zu sehen. Anfänge gibt es viele. Wichtig ist es zu bemerken, dass Du dich, während Du diese Fragen stellst, bereits mitten im Leben Deiner Geschichte befindest. Alles fließt und verändert sich, doch wenn überlegst welche Geschichte du liebst und welche du hast, lernst du viel über Deine Geschichte und Dein Leben schreitet voran.

Wie auch immer Du Dich entschließt Deine Geschichte zu erforschen, es hilft ehrlich gegenüber seinen eigenen Empfindungen zu sein. Dort befindet sich der Anfang Deiner Geschichte. Wer sich etwas vorlügt, beginnt seine Geschichte als Lügner und kann nur hoffen, dass er sich damit für einen zu seiner Geschichte passenden Charakter entschieden hat. Wer aber mutig und neugierig ist, kann auf die Suche gehen, tagträumen, in Trance gehen, sich ernähren von Geschichten, um daraus dann eigene Geschichten entstehen zu lassen. Geschichten sind Nahrung für die Seele und die Geschichten, die du konsumierst, bestimmen mit, welche Geschichten Du erfinden und leben kannst.

Weiterführende Technik

Eine Technik, die mich selbst immer wieder bestärkt möchte ich am Ende dieses Blogpost mitteilen. Sie ist eine verblüffend einfache und wirkungsvolle Methode mit seiner Geschichte in Kontakt zu kommen und ist mir nach dem Lesen der Stadt der Träumenden Bücher aus versehen passiert. Seitdem setze ich sie immer wieder bewusst ein.

Wenn Du Dich gemütlich hinsetzt, hinlegst, Dich überraschen lässt, was passiert, wenn du Deine Augen schließt, und Bildern, Gedanken und Assoziationen nachgehst, die bei der Wiederholung folgenden Satzes in Dir entstehen:

Hier fängt die Geschichte an.

Hier fängt die Geschichte an.

Hier fängt die Geschichte an.